Tag 135: Jiiiiiiiiiieeeeeehaaa Butte!

Sa 26/08/17 0 Meilen (0 km) Butte (2351,4)

Die ersten Schritte sind erstaunlich gut und mein Fuß tut kaum weh. Vielleicht weil ich keinen Rucksack trage? Der Morgen ist erstaunlich stark gefüllt mit Kleinigkeiten. Recherchen zu Glacier, wo ich Mal wieder Zeltplätze reservieren muss, überprüfen meines Zeitplans, Texten mit Fancy Pants und Bucket, die ich danach in San Francisco besuchen will, Resupply organisieren und ein zusätzliche Lebensmittel einkaufen. In einer Drogerie/Apotheke bekomme ich neue Schmerzmittel, die besser verträglich als Ibus sind und auch Entzündungshemmend wirken. Außerdem eine Stützsocke. Im Motel sind auch meine neunen Aqua Mira Wasserfilterflüssigkeiten und die neuen Einlegesohlen angekommen. Nun muss ich nur noch schnell packen und auf die andere Straßenseite ins Days Inn wechseln.
Es ist gerade mal 12:30 Uhr, doch ich darf schon Einchecken. Endlich kann ich Wäsche waschen und muss dafür nur wenige Meter mit einem Handtuch um die Hüften zum Wäscheraum laufen. Das allerdings mehrfach und kritisch beäugt von den Zimmermädchen. Ich schaffe es gerade so mein Blog auf den neuesten Stand zu bringen und alles für meinen Abmarsch morgen früh zu erledigen, da kommt auch schon Asher. Es ist bereits 16 Uhr, das Rodeo beginnt um 17 Uhr. Relativ zügig brechen wir auf. Es sind nur 40 Minuten mit dem Auto, eine Kleinigkeit für Asher, der selbst eine sechsstündige Autofahrt als einen kurzen Trip empfindet. Eine sehr typische amerikanische Einstellung. 
Boulder ist eine wirklich kleine Stadt und das Rodeo rein für die örtliche, einheimische Bevölkerung. Touristen gibt es hier keine. Wir laufen etwas orientierungslos in eine große Scheune, die wieder Einlass aussieht. Wir zahlen $9 vermeintlichen Eintritt und stellen erst dann fest, das wir falsch sind. Hier gibt es nur Essen und dafür war auch das Geld. Hinter einer langen Reihe Tische stehen junge Kinder, jedes mit einer anderen Speise und geben mir Essen auf. Ist mir eigentlich nur Recht, denn seit dem Frühstücksbüffet im Motel bin ich Thruhiker untypisch nicht zum Essen gekommen. Wo habe ich bloß meine Prioritäten gelassen? Es gibt eine Art Roastbeef Barbecue, Salate, Bohnen und verschiedenes Gebäck zum Nachtisch. Auf einer Bühne stehen drei ältere Frauen und spielen Flotte Country Songs. Wie schon bei meiner Radtour im Basin, komme ich mir nicht mehr wie ein Thruhiker vor. Das hier ist anders. Ich genieße meine kleinen Ferien vom Trail, doch wir essen recht schnell, denn wir wollen zum Rodeo! 

Ashley/The Honch in seinem Audi S4


Endlich finden wir den richtigen Weg. Wir zahlen zum zweiten Mal Eintritt, dann laufen wir durch einen Art Spielbereich für Kinder und vorbei an Essens und Getränkeständen. Dann sind wir endlich am Ziel. Eine große und zwei kleine Tribünen säumen den Reitplatz. Im Hintergrund die für mich inzwischen typische grasige Hügellandschaft. Geschätzt 500-1000 Menschen haben die Sitzplätze nahezu komplett belegt. Es nicht das typische Männer und Bier Rodeo, dies hier ist eher ein Familienfest. Ich komme mir mit meinen Laufschuhen und angeschnittener Shorts etwas fehl am Platz vor. Die anderen Männer hier sind eher Marke Cowboy. Strenger, ausdrucksloser Blick, Jeans, Hemd und Cowboyhut. Wir wollen uns nicht durch die vollen Tribünen drängen, auch wenn noch einzelne Plätze frei sind. Stattdessen suchen wir uns einen Stehplatz Nähe des Gatters und betrachten das Spektakel bei einem Bier. Es ist alles dabei, was man sich unter einem Rodeo so vorstellen kann. Der Wilde Ritt auf einem Pferd, das mit einem engen Gürtel um den Bauch wild gemacht wird, ein Geschwindigkeitsritt um Tonnen, das einfangen von jungen Bullen mit einem Lasso um Hals und die Hinterläufe und das alles feinsäuberlich sortiert nach Männer, Frauen und zum Schluss immer Kinder.

Hier siehts noch gut aus…

…und dann fällt er doch noch.

Was will ich gewinnen: pures Silber in Form einer Gewehrpatrone oder doch lieber 6 Ladungen Feuerholz. Und was sagt das über die Leute in Montana? Hmm.


Und dazu kommen noch ein paar spezielle Highlights. Das erste ist eine Gruppenchoreografie von zwölf Reiterinnen. Alle in Rot, weiss und blau gekleidet, alle mit einer riesigen US Flagge in der rechten Hand. Es erinnert mich sehr an die Reitvereinfeier, die ich im letzten Sommer in Ostfriesland gesehen habe. Nur ist alles etwas komplizierter und sehr viel patriotischer. Das zweite Highlight ist ein Teamwettbewerb. Zuerst werden vier drei bis vier Mann Teams vor dem Publikum versteigert. Die Gebote enden bei 100-650 Dollar. Das niedrigste Gebot von 100 Dollar kommt für mich nicht überraschend. Ein Mann im Hawaiihemd ist eines der Mitglieder. Der Höchstbieter ist dann der Wettpate des Teams. Wäre ich im selben Team gewesen, wie wären wohl nicht mal auf 50 gekommen. Danach werden vier Kühe losgelassen, die ebenfalls auf irgendeine Art und Weise wild gemacht wurden. Jedes Team muss eine fangen und dabei eine bestimmte Menge Milch melken. Es ist ein wildes Treiben, bei dem die Männer mehr am Boden liegen denn stehen. 


Die letzte Show ist natürlich das Bullenreiten. Hierfür gibt es extra Clowns, die die wilden Tiere ablenken sollen, sobald der Reiter fällt und schutzlos ist. Auch das ist unterhaltsam, wenn auch wie das ganze Spektakel aus Tiersicht etwas fragwürdig. Mein persönlicher Höhepunkt ist dann jedoch einer der letzten Ritte. Alle starren genannt auf das Gatter und warten auf den nächsten, riesigen, wutschnaubenden Stier, der aus der Box geschossen kommt. Das Gatter öffnet sich und raus kommt eine winziger Bulle mit einem vielleicht fünfjährigen Reiter. Das Tier läuft entspannter als ein Pony und das Publikum verfällt von spontanem Gelächter in Gejohle und dann tosendem Applaus. So lange könnte sich kein anderer Reiter halten. Ein Cowboy hebt den Jungen schließlich aus dem Sattel und präsentiert ihm dem frenetisch feierndem Publikum. Mit stolz geschwellter Brust stapft der Junge schließlich aus dem Gatter.
Für mich war es ein echtes, typisch amerikanisches Erlebnis. Zufrieden fahren wir zurück nach Butte. Ashley übernachtet heute mit im Motel und wird mich morgen zurück zum Trail bringen. Ich bin gespannt und besorgt wie mein Fuß sich dann anfühlt, doch zum Glück habe ich in den nächsten 50 Meilen gleich drei Straßen und einen vier Meilen langen Trail, die mich im Notfall wieder zurück nach Butte bringen. 

4 Gedanken zu “Tag 135: Jiiiiiiiiiieeeeeehaaa Butte!

    • Kannst Du in meiner Zeit als Trailangel nachlesen. Nach meinem Wechsel vom Hwy 12 zu Pietown, war er mit seinem Kumpel der erste, den ich aus dem Auto von Pietown nach Grants gesehen habe. Ich brüllte die beiden wie irre an: heeeeeeeeeeyyyy Hiker!

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