Tag 133: Schmerz

Do 24/08/17 34,1 Meilen (54,6 km) Seymour Creek Campground (2308,1) bis Trailcamp (2342,2) 1340m rauf, 1400m runter

Ich bin alleine. Draußen dämmert es. Kein anderer Hiker, der bereits packt. Ich drehe mich nochmal um. Beim nächsten aufwachen ist es hell und ich beginne zu packen. Ich will gerade zum Picknicktisch zum frühstücken gehen, da spüre ich deutlich, das etwas nicht in Ordnung ist. Ich kann meinen linken Fuß nicht mehr abrollen, ohne starke Schmerzen zu verspüren. Gestern hatte ich die letzten fünf Meilen einen leichten, dumpfen Schmerz im linken Fuß. Nun ist es ein stechender Schmerz, der sich hoch zum Knöchel zieht. Ich habe nicht viele Möglichkeiten. Ich muss von hier auf jeden Fall loslaufen. In ca 10 km treffe ich auf eine Straße, von der ich nach Anaconda hitchen könnte. Bis zu meinem Treffpunkt am Freitag nach Butte sind es noch fast 70 km. Ich schlucke vier Ibu Profen, den Rest wird der Tag zeigen. 

Die 10 km zum Highway geht es auf einer Dirtroad. Normalerweise kein Grund zum feiern, doch unter diesen Umständen recht hilfreich. Der Schmerz ist stärker, wenn der Fuß nach links oder rechts einknickt. Ein flacher Untergrund ist besser. Dennoch humpele ich die erste Stunde mehr als dass ich gehe. Was für eine Ironie: 2700 km laufe ich zusammen mit anderen und nun laufe ich seit 16 km alleine und habe vielleicht noch vor Butte keinen funktionierenden Wasserfilter übrig und humpele Richtung Stadt. 


Entweder wird es besser oder die Ibus beginnen zu wirken. Ich muss automatisch an Squatchie denken. Sie musste den PCT auf Grund eines Ermüdungsbruches im Fuß beenden. Schmerzen hatte sie nur am Morgen. Im Laufe des Tages überdeckten Endorphine und Adrenalin die Schmerzen. Erst in der Stadt wurden die Schmerzen immer schlimmer. Ich werde, falls mich der Fuß nicht schon heute stoppt, zwei Nächte in Butte pausieren. Spätestens am zweiten Morgen, werde ich wissen, was los ist. Ist meine Reise dort vielleicht zu Ende?

Ich verdränge den Gedanken und lenke mich mit Podcasts ab. Bald erreiche ich den Highway. Eigentlich müsste ich ihn nur 2,5 km folgen, danach macht der Trail einen Schlenker und trifft erneut auf den Highway. Ich hasse es, auf einem Highway zu laufen, aber er ist flach, nahezu ohne Verkehr und ich könnte fast 5 km abkürzen, wenn ich ihn weitere 6,5 km laufe. Mein Fuß fühlt sich relativ gut an, der Schmerz ist aber nicht verschwunden. Zu gut, um nach Anaconda zu fahren, aber sicher fühle ich mich nicht. Ich entscheide mich für den Highway, die ausnahmsweise mal bessere Alternative. 
Auch ein Großteil des restlichen Tages verläuft auf aktuellen oder ehemaligen Dirtroads. Es gibt nur wenige, nicht besonders steile Anstiege. Ein relativ dankbarer Tag für meine Verletzung. Es geht viel durch Wald ohne spektakuläre Aussichten, ich bin aber sowieso in Gedanken sehr bei mir, wieviele Tage ich Pause machen könnten, unter welchen Umständen ich weiterlaufe würde und ob ich erneut zum Arzt gehen muss oder sollte. Ich musste bereits 1200 Euro für mein Knie vorstrecken. Und dann knicke ich um. Ein stechender Schmerz sticht mir in den Fuß. Beim betasten des Fußes habe ich keinen Schmerz und es ist durch das Umknicken nicht generell schlimmer geworden. Ich muss aber vorsichtiger weiter laufen/humpeln. Außerdem ist es Zeit für die nächste Ladung Ibus.  


Erstaunlicherweise komme ich trotz der Schmerzen schnell voran. Nach 30 Meilen wollte ich eigentlich nach einem langen Anstieg campen. Es ist aber noch früh und ab hier geht es nur noch bergab. Ich entscheide mich zum weiterlaufen, mache aber eine längere Pause. Denn ich habe Internet Empfang! Fancy Pants und Bucket haben sich beide gemeldet und freuen sich über meinen Besuch in San Francisco nach dem CDT. Bucket bietet mir sogar an, mich am Flughafen abzuholen und auf einer Matratze in ihrer Wohnung zu übernachten. Sie arbeitet selbstständig und hat in der Zeit noch keine Termine. Ich freue mich aber nur gebremst. Im Moment scheint die nahe Zukunft so ungewiss. Auch Apache hat mir geschrieben. Er ist bereits in Lincoln und wir witzeln, wer zu wem vor bzw. zurück kommen sollte. Außerdem erfahre ich von einer Trail Sperrung gleich nach Lincoln, doch auch das lässt mich erstmal kalt. Es sind für mich aber auch noch zwei Wochen bis dahin. Es ist erstaunlich wie schnell Apache soviel Vorsprung erwandern konnte.


Die letzten zwei Meilen machen sich die Schmerzen im Fuß kaum bemerkbar. Ich schöpfe etwas Hoffnung, aber erst morgen früh werde ich mehr erfahren. Ich bin nun nur noch 9 Meilen von Butte entfernt und werde gegen 10 Uhr an der Interstate sein. The Honch sollte mich erst 8 Stunden später abholen, doch das ist für mich ganz gut so. Nun kann ich schon Morgen alles nötige erledigen und bin dann wirklich frei für ihn. Je nachdem, wie sich der Fuß morgen anfühlt, werde ich ihm aber vielleicht teilweise absagen müssen. Sollte es morgen früh so schlimm sein wie heute, will oh so wenig wie möglich laufen und werde mir eventuell direkt ein Motelzimmer für zwei Nächte buchen. Mehr als Essen gehen, in einer Bar was trinken und im Motelzimmer abhängen, werde ich dann wohl nich mit ihm unternehmen. Aber das alles wird sich morgen zeigen. Nun in meinem Schlafsack auf meiner Luftmatratze fühlt sich der Fuß schmerzfrei, wenn auch nicht ganz normal an. Ich werde sehen. 

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