Tag 9: Erholung, Heilung und das nächste Dilemma

Fr, 21/04/17 – 0 Meilen (0 km): Silver City (161,5 Meilen)

Nach einer Woche ist mein Körper der beste Wecker und so wache ich um Punkt 6 im völlig verdunkelten Motelzimmer auf. Ich schaffe noch eine Stunde Schlaf, dann bin ich endgültig wach. Meine Beine und vor allem die Füße erinnern sich noch gut an gestern und auch nach dem erneuten Öffnen der (diesmal vier von fünf) Blasen, schleiche ich wie auf rohen Eiern zum Kaffee in der Lobby. An dieser Stelle eine kleine Warnung, am Ende dieses Posts zeige ich Fotos meiner Füße. Also aufpassen beim Lesen… Nur ein Zimmer ist näher an Lobby, Laundry und Snackautomaten gelegen und dafür ich bin sehr dankbar. Natürlich muss ich auch am Pausentag laufen. Gott sei Dank liegen alle Ziele in einer Reihe. Drogerie/Apotheke, Dollar Store, Supermarkt und Post. Insgesamt gilt es hin und zurück zwei Meilen zu überwinden. Mein ohne Zögern rausgestreckter Daumen wird leider gnadenlos ignoriert.

Meine Hoffnung liegt heute auf Blasenpflastern und neuen Schuhen. Es heißt zwar „Never change a Running System“, aber so richtig läuft es mit meinen alt vertrauten Schuhen ja nun nicht mehr. Zur Sicherheit habe ich zwei Paare bestellt. Mein bisheriges Modell und dazu die auf dem Trail hoch favorisierten Altra Lone Pines. Zu meinem Schrecken muss ich am Post Office erkennen, dass die gelieferte Telefon Schutzhülle für ein IPhone 7 Plus ist (ich habe nur das 7) und meine Schuhe nicht per USPS sondern Fedex verschickt wurden und noch nicht da sind. Das US Post Office wird wohl kaum Pakete der Konkurrenz annehmen. Ein Telefonat mit Fedex, dann mit Amazon und dann nochmal mit Fedex, ein Rückruf vom lokalen Fedex Store und vom Fahrer und die Adresse ist auf das Motel geändert. Toll! 
Der Resupply geht schnell von der Hand, aber ich vergesse eine Gaskartusche und Sonnencreme. Die nächsten 7 Tage gehts allerdings entlang des Gila Rivers und im schlimmsten Falle gibt es halt kaltes Abendbrot und ein Langarmshirt. Nochmal gehe ich bestimmt nicht los. Der Fluss wird schon für Abkühlung sorgen… Auf dem Rückweg gebe ich mir die größte Mühe, eine humpelnd gute Figur zu machen und komme mit einem halbwegs guten Gefühl zurück ins Motel. 

Nun kann ich endlich entspannen und den Blogeintrag von gestern nachholen. Irgendwann kommen auch die Schuhe und die Altras sitzen wirklich gut. Ich entscheide mich das Risiko einzugehen und mit komplett neuen, unbekannten Schuhen weiterzulaufen. Etwas wovon ich jedem anderen Hiker abraten würde. Aber was soll ich machen? Bleibt nur noch eine Frage offen. Wie schicke ich das iPhone Case und die anderen Schuhe zurück? In dem Moment poppt eine unbekannte Freundschaftsanfragen einer Mitarbeiterin der CDT Coalition in Silver City auf. Und gleichzeitig erinnere ich mich an einen alten Facebookeintrag einer anderen CDT Hikerin aus Silver City, die Hilfe vor Ort angeboten hat. Ich nutze die Gunst der Stunde und beginne mit dem alten, konkreten Hilfsangebot. Nach einer Stunde habe ich noch keine Antwort und so schreibe ich meiner neuen Facebookfreundin. Kurze Zeit später antworten beide. Cloud hat sofort Zeit, Mary könnte mein Paket am Samstag abholen. Ich danke Mary, sage Cloud zu und 5 Minuten später sitze ich bei ihr im Auto und spare mir 2 Meilen zu Fuß. 

Cloud ist den CDT letztes Jahr gewandert und bereitet mehr oder weniger ehrenamtlich die Trail Days in einer Woche in Silver City vor. Es ist schön mit jemand zu reden, der mein Leid aus erster Hand kennt. Sie hat auch den Roadwalk gemacht und ab da alle anderen Highways ausgelassen. Ich bekomme viele interessante Infos zu den Traildays und sehe das nächste Dilemma auf mich zukommen. Eigentlich wollte ich von Doc Campbells 45 Meilen per Anhalter hierher zurückkommen. Ein einfacher Hitch, aber inzwischen werde ich dort viel zu früh sein. Vom nächsten Ort – Reserve – wird es knapp. Dorthin brauche ich 7 Tage – vor allem wenn ich etwas langsamer mache. Auf Facebook gibt es ein Angebot, mich mitzunehmen, aber dann müsste schon nach 6 Tagen sein und das hieße jeden Tag 25 Meilen laufen. Ich studiere die Karten und finde eine halbwegs mögliche Lösung. Die Walnut Creek Alternative spart 15 Meilen, dazu am nächsten Freitag sehr früh aufstehen und 10 Meilen hiken, dann könnte es klappen. Dadurch bleiben 125 Meilen in 6 Tagen, also 21 pro Tag. Dadurch hätte ich eine sichere Mitfahrgelegenheit hin und zurück und zweieinhalb freie Tage in Silver City. Ob das halbwegs realistisch ist, werde ich spätestens morgen Abend wissen…

Alle zartbesaiteten sollten jetzt – wie angekündigt aufhören zu lesen. Vorweg kommt ein harmloses Foto meines Zimmers und dann kommen Füße, das schlimmste Foto ganz zuletzt.

Große neue Blase unter großer alter Blase. Autsch!

11 Gedanken zu “Tag 9: Erholung, Heilung und das nächste Dilemma

  1. Was gibt es denn bei den Trail Days? Als absoluter Non-Hiker schwirrt mir sofort durch den Kopf: umkehren und zurueck wo ich schon vorbei war- noeeee… ODER dann bleibe ich doch eben eine Woche da….
    Merkste selbst, Beate, nicht?! 🙂

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    • Viele Vorträge zu verschiedenen Themen des Thru Hikens, Verlosung und Präsentation von Ausrüstung und auf dem CDT vor allem die meisten Thru Hiker auf einem Haufen. Auf dem Trail – also beim wandern – habe ich bisher gerade mal 10 andere Thru Hiker getroffen, die es bis nach Kanada schaffen wollen. Der Hauptgrund für mich zurückzukommen sind Freunde von 2015 zu treffen. Dundee, der am 1. stiertet und vorher hier ist und die Ravens, eine Familie die vor einer Woche gestartet ist. Außerdem bin ich weit vor meinem Zeitplan und hatte ein unkompliziertes Angebot für eine Mitfahrgrlegenheit und eine kostenlose Bleibe in Silver City… http://continentaldividetrail.org/trail-days-2017/

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  2. Himmel, Hannes, du bringst mich ganz durcheinander. In Gedanken bin ich eigentlich bei meiner Reise in weniger als drei Wochen zum Grand Canyon, Monument Valley & Co, und du weckst alle Erinnerungen an die Reise vor einem Jahr. Da fuhr ich auf der 180 aus der Richtung von Deming (vom City of Rocks States Parks) in Silver City ein! Später kam ich noch einmal dort vorbei. Meine Füße waren zwar aber in Ordnung, aber nicht die Reifen meines Mietwagens. Die moderne Technik meldete auf dem Display ständig „low tire pressure“. Die Toyota-Werkstätte in Silver City half großzügig. Trotzdem mußte ich weiterhin fast täglcih neu aufpumpen. Als ich nach einer Woche wieder nach Silver kam (von El Malpais National Area, Reverse) und erneut Toyota aufsuchte, fanden sie bei gründlicher Inspektion einen großen Nagel im Reifen. Sie reparierten das Loch und danach war Ruhe. Jetzt wanderst Du durch die schöne waldige Gilalandschaft. Den Gila River sah ich bei den Cliff Dwellings, vorher noch den Robert Lake. Auf der CDT Karte sah ich, daß Du den Highway 35 in seiner Nähe kreuzen wirst.
    Noch etwas: Ich wundere mich etwas, daß Du beim „Cowboy Camping“, sprich ohne Zelt, so zögerlich bist. Das habe ich bei meinen Reisen in den Wüsten der USA immer gemacht (nur bei Regen auf der Rückbank des Autos geschlafen). Was gibt es schöneres, als direkt in den Sternenhimmel der klaren Wüstenluft zu schauen. Dort sah ich zum ersten Mal die Milchstraße, für die es bei uns längst zu hell ist.
    Weiter jedenfalls alles Gute! Ich hoffe, die neuen Schuhe halten diesmal länger – und ohne Probleme!
    Herzlichst, Regina

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    • Na da löse ich ja einiges bei Dir aus! Ich war beim Cowboy Camprn immer zögerlich, weil ich keine Insektfn mag und irgendwie die Vorstellung hatte, dass die Nachts alle über mein Gesicht krabbeln. Völliger Unsinn. Außerdem hab ich Schiss, dass es Nachts überraschend zu regnen anfängt. Kann man dann einfach in ein Auto hüpfen, ist das natürlich super… das Zelt war auch immer eine gewisse Schutzwand zwischen mir und allem, was da draußen bedrohliches sein könnte. Es ist oftmals am schwersten, etwas zum allerersten Mal zu machen. Ist die Sperre im Kopf erstmal durchbrochen, steht uns so vieles offen.

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  3. Oh my Treeman. You are living the life, not! I feel your pain and know exactly what you are talking about. Whatever you do, don’t take the Greyhound to Ashland! The blisters will heal, the Altra’s are truly my favorite of all shoes, so comfortable and if I had big strong ankles like you, I’d wear nothing else. Sounds like Trail Days will happen and happy for you. You are doing amazing and hiking every flipping mile/km. Keep trucking my friend. Gosh, I wish I was closer as I could come and hike with you. The Ravens are right behind you. Carry on my friend.

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    • Oh Gigi! Two weeks ago I had no idea about what I am talking about right now. On this trail I sometimes feel like a filthy dirty Dayhiker. I read the blog of the Ravens and I am a little bit concerned. It seams to me, that the first section hit them pretty hard. And I am really sad, thatched won’t make it to Silver City in time to meet up with me. One of the reasons I got to Trail Days.

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  4. Lieber Hannes,
    oh je, das war ja ein harter 8. Tag und ich hoffe, dass die Wunden verheilen und das Laufen weiter ermöglichen. Der Trail scheint viel komplizierter zu sein, als ich mir das naiv von meinem Sofa in Bremen aus vorstellen konnte. Ich bin gespannt, wie es weitergeht und wünsche Dir viele gute Stunden und weiter hilfreiche und tolle Begegnungen unterwegs. Mit den allerbesten Wünschen und herzlichen Grüßen Gudrun

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  5. Autsch-das tut schon beim Lesen weh… Ich drück die Daumen, dass die neuen Schuhe helfen und die Blasen schnell heilen. Tag 8: done! Weiter geht’s zu Tag 9. go, Treeman, go!

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